2011: René Kindlimann
Vollblutsammler, Wissenschaftler, Künstler und Ausstellungsmacher
Anlässlich ihrer 90. Jahresversammlung in Eschenau verleiht die Schweizerische Paläontologische Gesellschaft die Amanz Gressly-Auszeichnung an René Kindlimann für seine bedeutenden Verdienste rund um die Erforschung der Haie und ihrer Verwandten, sowie seine Beiträge zur Wissensvermittlung als Ausstellungsgestalter und Grafiker.
René Kindlimann ist ein wahrhafter Überzeugungstäter im positiven Sinn: Seine Freizeit ist zu einem grossen Teil der Erforschung der Knorpelfische sowie dem Aufbau und der Pflege seiner Sammlung gewidmet. Dabei ist er eine jener Lichtgestalten, die nicht wie die Glucke auf ihrem Ei sitzt, sondern er teilt vorbehaltlos sein Wissen und verleiht mit grosser Begeisterung sein nicht nur umfangreiches sondern auch ausgezeichnet erhaltenes Material für deren wissenschaftliche Erforschung, aber auch für Ausstellungen verschiedenster Art.
In Haizahnsammlerkreisen ist René Kindlimann kein Unbekannter. An den internationalen Messen, beispielsweise in München, in Sainte Marie aux Mines (F) und an der Petrefakta in Leinfelden bei Stuttgart ist René seit vielen Jahrzehnten ein regelmässiger und gern gesehener Gast. Hier pflegt er sein grosses Netzwerk an Kontakten. Neben dem Internet und Email ist ihm der persönliche Kontakt sehr wichtig. René besucht daher auch immer mal wieder Sammlerkollegen im In- und Ausland.
René Kindlimanns Interesse für Wirbeltiere und Paläontologie begann, wie bei vielen im zarten Alter von etwa sieben Jahren, allerdings eher mit mumifizierten Fröschen und Dinosauriern. Ausgehend von diesem Interesse, entdeckte er bald prähistorische Säugetiere und später, über das Zürcher Paläontologische Museum, auch die beeindruckenden Meeressaurier des Monte San Giorgio. Am 24.12.1969 wollte er eigentlich Saurier-Reste im Steinbruch in Dielsdorf suchen, fand aber statt Sauriern „nur“ einen Haizahn: Wie fast jede Sammlung begann damit auch die von René Kindlimann mit einem einzigen Objekt, nämlich jenem Zahn von Sphenodus longidens, welcher bis heute ein wichtiger Teil seiner Sammlung ist.
Während manche Sammler im Laufe der Zeit sich andern Dingen zugewendet haben, blieb René stets den fossilen Knorpelfischen treu. Er interessiert sich wegen der Vergleichs-möglichkeiten mit den Fossilien auch stark für die heute lebenden Haie und Rochen und Chimären. Seine jahrzehntelange Ausdaür und sein Wissensdrang führten zu einer riesigen Sammlung, die in ihrem Umfang und ihrer Vielseitigkeit oder Vollständigkeit ihresgleichen sucht. Zehntausende von Knorpelfischzähnen sind hier untergebracht, aber auch Flossenstacheln, Hautzähne, Wirbel, Gebisse und sogar mehrere vollständige fossile Haiskelette, was aufgrund derer oft ursprünglich knorpeligen Beschaffenheit selten ist.
Im Verlauf der Jahre bereiste er viele Länder in Europa und den USA auf der Suche nach fossilem Haimaterial. Dadurch entstanden Kontakte zu verschiedenen Wissenschaftlern und Sammlern, die ihm nicht nur Anregungen sondern auch Literatur, technische Tipps, Fundstellenhinweise und ähnliches lieferten. Zu seinen frühen fachbezogenen Bekanntschaften zählen auch einige Schweizer Paläontologen, darunter unter anderem Prof. Hans Rieber (der frühere Direktor des Zürcher Paläontologischen Instituts), Köbi Siber (sein Freund und Nachbar, Gründer des Sauriermuseums Aathal und letztjähriger Amanz Gressly-Preisträger), und viele andere. So wurde aus dem einzelnen Zahn eine Sammlung mit Material aus aller Welt. Er legt grossen Wert darauf, dass einerseits die Stücke in seiner Sammlung maximale Qualität aufweisen und andererseits, dass seine Triebfeder ein ganzheitliches Verständnis der Knorpelfische (also Haie, Rochen, Chimären…) ist, und zwar sowohl aus stammesgeschichtlicher als auch ökologischer und systematischer Sicht. Daher existiert für ihn kein Unterschied in der Wichtigkeit von Neontologie und Paläontologie.
Von ganz spezieller Bedeutung für ihn ist die Fachliteratur zum Thema Chondrichthyes. So hat er im Laufe der Zeit eine umfangreiche Bibliothek mit den wichtigsten neüren aber auch historischen Arbeiten angelegt, die ständig auf dem neusten Stand gehalten wird. Entsprechend ist die folgende Anekdote auch bezeichnend: 2010 war Michal Ginter, der polnische Experte für Haie des Erdaltertums, zu Besuch am Paläontologischen Institut in Zürich. Er nutzte die Gelegenheit, um den paläozoischen Teil der Sammlung von René Kindlimann anzusehen. Obwohl Ginter während der Recherche für sein umfassendes Buch über die Zähne paläozoischer Chondrichthyes den ganzen Globus bereiste und die berühmtesten Museen mit paläontologischen Sammlungen durchforstete, fand Ginter in mehreren Fällen besseres Material als jenes, welches er in seinem Buch abgebildet hat.
Kurzbiographie
René Kindlimann, geboren 1950, besuchte nach der Sekundarschule in Oerlikon die Kunstgewerbeschule in Zürich. Dort schloss er 1972 seine Ausbildung als Grafiker ab. Anschliessend arbeitete er in einer Firma für Messe- und Ausstellungsbau. Bei diesem Broterwerb ist er bis heute mehr oder weniger geblieben. Im Jahre 2004 gründete er schliesslich seine eigene Firma MAD GmbH (Messebau- und Architekturdesign), welche ihren Sitz in Aathal hat. In den vergangenen Jahren veränderte sich seine Tätigkeit allmählich von einer vorwiegend industriellen hin zu einer eher musealen Ausrichtung. So stammt die Ausstellungsgestaltung und deren Realisation der folgenden Museen aus seiner Feder: Walmuseum Saccaco (Peru), Sauriermuseum Frick, Sauriermuseum Aathal, Mammutmuseum Niederweningen, Turmmuseum Regensberg, Museum auf der Habsburg, Archäologisches Fenster im Parkhaus Opéra (ab 2012), Daürausstellung über römische Brennöfen im Parkhaus „Mitte“ in Brugg (ab 2013). Daneben gestaltete und realisierte er zahlreiche Ausstellungen im Bereich Paläontologie und Archäologie. So präsentierte er Teile seiner umfangreichen Sammlung in verschiedenen Ausstellungen, beispielsweise in „Fische im Strom der Zeit“ (mit Toni Bürgin), im Rahmen einer Wanderausstellung der Haistiftung Sankt Gallen (u. a. in 7 schweizerischen Städten sowie in 3 Städten in Deutschland). Daneben produzierte er eine eigene Ausstellung über die Evolution der Haie, mit grossen Teilen seiner Sammlung, die er im Goldfussmuseum in Bonn (mit Martin Sander) und im Naturmuseum Leipzig (mit Rudolf Schlatter) dem Publikum vorstellte.
Er assistierte mit seinem Material, Bildern und Fachwissen bei diversen Diplom- und Doktorarbeiten. Weiterhin stellte er sein Material auch verschiedenen in- und ausländischen Wissenschaftlern für Publikationen zur Verfügung.
Referenzen
BOLLIGER, T., KINDLIMANN, R., & WEGMÜLLER, U. 1995. Die marinen Sedimente (jüngere OMM, St. Galler-Formation) am Südwestrand der Hörnlischüttung (Ostschweiz) und die palökologische Interpretation ihres Fossilinhaltes. Eclogae Geologicae Helvetiae, 88: 885-909.
KINDLIMANN, R., 1981/1984. Ein bisher unbekannt gebliebener Zahn eines synapsiden Reptils aus dem Rhät von Hallau (Kanton Schaffhausen, Schweiz). Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen, Bd. XXXII.
KINDLIMANN, R., 1990. Selacios del Terciario Tardio de Sacaco, Departamento de Arequipa. – Boletin de Lima 69, 91-95.
KINDLIMANN, R., 1990. Ein Nachweis von Acrodus nobilis, Agassiz aus dem Sinemurien der Tongrube Gruhalde, Frick, Kt. Aargau (Nordschweiz). Eclogae Geol Helv., 83(3), p. 829-843.
RIEPPEL, O., KINDLIMANN, R. & BUCHER, H. 1996. A new fossil fish fauna from the Middle Triassic (Anisian) of North-Western Nevada. – In: G. Arratia & G. Viohl (eds.): Mesozoic Fishes – Systematics and Paleoecology, S. 501-512, Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München.